Präzisionsökotoxikologie für die Artenvielfalt und den Bürokratieabbau
Warum nur mehr Wissen und Daten zu den Wirkungen nicht nur von chemischen Pflanzenschutzmitteln die Artenvielfalt und die Landwirte weiterbringen
Ertrag ist auch die Ernte von Erfahrung
Wenn es um Erträge und deren Beeinflussung geht, sind Landwirte sehr gut informiert. Sie kennen ihre Felder, ihre Sorten, die Pflanzenschutzmittel, das Wetter, aktuelle Pflanzenkrankheiten und vieles mehr. Und am Ende eines jeden Jahres können sie an den Erträgen der einzelnen Felder ablesen, ob ihr eigenes Urteil und Handeln angesichts der unveränderlichen Umstände angemessen war. Das schafft lokale Präzisionserfahrung für die Erträge und die Chance, in Zukunft mindestens genauso gut oder noch besser abzuschneiden.
Auch Biodiversität und Umweltschutz entstehen aus Wissen und Erfahrung
In Bezug auf die biologische Vielfalt und die Auswirkungen auf die Umwelt ist die empirische Situation jedoch wesentlich schlechter. Selbst für Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat, die seit Jahrzehnten eingesetzt werden, ist nach Ansicht europäischer Expertengremien eine eindeutige ökotoxikologische Risikobewertung noch nicht möglich (Glyphosat: keine kritischen Problembereiche, aber Datenlücken festgestellt). Insektizide, die früher sehr selektiv in der Saatgutpelletierung eingesetzt wurden, sind dort zwar verboten, aber das großflächige, wahllose Sprühen von fast denselben Insektiziden auf ganzen Feldern ist zumindest als Notlösung und je nach EU-Land auch in unterschiedlicher Weise wieder erlaubt. Das Verständnis der Landwirte und ihr detailliertes lokales Wissen darüber, wie man die biologische Vielfalt und die Auswirkungen auf die Umwelt ebenso effektiv optimieren kann wie den Ertrag, versagen da schnell.
Globale und überregionale Tendenzen messen wir gut
Es ist bekannt, dass die Insektenpopulationen regional und sogar weltweit zurückgehen, dass die Böden immer noch Humus verlieren, statt mehr CO2 aus der Luft zu speichern, und dass die Grundwasserbelastung in vielen Gebieten noch zu hoch ist. Aber so wie der Ertrag auf jedem Feld individuell erwirtschaftet wird, können diese Herausforderungen letztlich nur lokal und spezifisch durch verantwortungsvolles Handeln auf breiter Informationsbasis im einzelnen Feld gelöst werden.
Rasenmäher statt Diversität auf lokaler Ebene
Doch die Realität sieht anders aus. Statt gezielter Feststellungen, wann und wo genau zu viel Nitrat ins Grundwasser gelangt und was die heutige Düngung für das Grundwasser in 20 Jahren bedeutet, gibt es große rote Zonen. Sie unterscheiden nicht zwischen Landwirten, die jahrzehntelang verantwortungsvoll gedüngt haben, und anderen, die oft die Erträge nach Düngevorgaben maximiert haben. Viele der Maßnahmen für Ökopunkte oder andere Umweltleistungen, die vom Landwirt erbracht werden müssen oder zu Ausgleichszahlungen führen, ändern sich in kurzen Abständen, sind von Land zu Land unterschiedlich (was zu wirtschaftlicher Ungerechtigkeit führt), agronomisch kaum nachvollziehbar und z.B. an Kalenderdaten gebunden. Gerade in Zeiten des Klimawandels und extrem schwankender Witterungsverhältnisse sollte klar sein, dass diese Art von regelbasiertem Mikromanagement nicht dem Umweltschutz dient. Niemand käme auf die Idee, einem Landwirt per Stichtag vorzuschreiben, wann er Kartoffeln pflanzen, Pflanzenschutzmittel einsetzen oder ernten soll. Gleichzeitig entstehen durch diese Vielzahl von Vorschriften auch Berge von Bürokratie (die eigentlich abgebaut werden sollten), die den Landwirt an den Schreibtisch zwingen, anstatt sich sinnvoll um die Felder kümmern zu können.
Gutes lokales Handeln geht nur mit gutem lokalem Feedback
Wie können wir uns aus dieser Situation befreien? Hier einige Vorschläge, die sicher nicht die einzige Lösung sind, aber einen Anstoß geben können, in welche Richtung es sinnvoll ist, zu gehen.
Mikromanagement mit zentralen Regeln und Daten in einem sich schnell verändernden Umfeld wird einem so vielfältigen System wie der Landwirtschaft nie gerecht – und in Zukunft erst recht nicht.
Das Ziel muss mehr Eigenverantwortung und individuelles Handeln der Landwirte sein, denn Biodiversität und Bodengesundheit entstehen – ebenso wie der Ertrag – auf jedem einzelnen Feld.
Damit Landwirte mehr Eigenverantwortung übernehmen können, müssen sie die Auswirkungen ihres Handelns so gut wie möglich einschätzen können. Das gilt auch für den Umweltschutz und zum Beispiel für die Bodengesundheit. Hier gibt es extrem große Defizite. Selbst bei bekannten Herbiziden (siehe oben) sind die Auswirkungen auf Insekten noch erschreckend unklar. Die Risikobewertung für Insektizide ist oft nicht viel besser. Auch hier sind die Wirkungen einzelner PSM komplexer und z.B. temperaturabhängig (Große Herausforderungen für kleine Bodenorganismen) oder es gibt bisher unerwartete Wirkungen in tieferen Bodenschichten ohne große Produktkonzentrationen (Bewertung des Risikos für Bodenorganismen unter realen Bedingungen).
Daher sind in vielen Fällen selbst die allgemeinen Wirkungsmuster unklar und noch weniger die spezifischen lokalen Auswirkungen. Es wird noch viele Überraschungen geben – wenn wir sie denn messen würden.
Präzisionsökotoxikologie und Präzisionsökologie
Damit sind wir bei einer der größten Herausforderungen angelangt. Es gibt keine Präzisionsökotoxikologie und Präzisionsökologie. Aber genau das brauchen wir für die Biodiversität und die Bodengesundheit im Rahmen der Präzisionslandwirtschaft sowie für die Feldbewirtschaftung und den Ertrag. Präzision bedeutet nicht, ALLES zu messen oder zu wissen, sondern effektive Instrumente einzusetzen, um die bestmöglichen Informationen zu den geringstmöglichen Kosten zu erhalten. Ein GPS für biologische Vielfalt und Umweltschutz wäre ideal.
Wirkungsdaten von Verfahren sind wichtig
crop.zone ist zwar kein chemisches Pflanzenschutzmittel, hat aber dennoch umfangreiche Studien über seinen Einfluss auf Regenwürmer, Springschwänze, Bodenmilben und Bodenbakterien während der elektrophysikalischen Sikkation durchgeführt. Es wurde kein Einfluss festgestellt. Auch die Landwirte benötigen zur Optimierung verlässliche allgemeine Daten über die Auswirkungen von Pflügen, Bodenbearbeitung, Kultivierung und anderen Methoden auf das Bodenleben auf Böden, die ihren eigenen zumindest ähnlich sind. Es ist bekannt, dass das Pflügen und die großflächige Bodenbewegung durch z. B. Kartoffelanbau und Zuckerrüben die Anzahl der Regenwürmer um bis zu 50 % reduzieren kann. Dennoch gibt es Landwirte, die dank jahrzehntelanger Bodenpflege auch bei Kartoffeln und Zuckerrüben in der Fruchtfolge problemlos 50 bis 200 Regenwürmer pro Quadratmeter haben.
Erfassung der Wirkungen auf jedem Feld als Ziel
Das zeigt, dass wir wie bei den Erträgen auch in der Ökotoxikologie und Umweltbewertung einfache, aber sehr aussagekräftige Messgrößen brauchen, die jedem Landwirt eine jährliche Rückmeldung geben. Öfter mit dem Spaten auf dem Feld zu graben, ist sicherlich hilfreich und empfehlenswert (Film: Mit der Spatenprobe die Bodenstruktur im Feld beurteilen). In Zukunft werden aber noch objektivere Methoden zur Messung z.B. der Biodiversität auf dem Acker für die Erfolgskontrolle und die Honorierung des gesellschaftlichen Mehrwerts immer wichtiger werden. Auch die DLG arbeitet daran, solche Methoden zu erforschen (BioMonitor4CAP: EU-Projekt zum Monitoring von Biodiversität gestartet) und Maßnahmen zu evaluieren (Artenvielfalt und Biodiversität stärken im Ackerbau).
Fazit – Neue (effektive) Messungen und auch KI braucht das Land
Nur wenn die Präzisionslandwirtschaft auch die Präzisionsökotoxikologie einbezieht, kann sie der großen Vielfalt der einzelnen Felder, den lokalen Bedingungen und dem Klimawandel einschließlich der biologischen Vielfalt Rechnung tragen. Gezieltes Handeln der Landwirte erfordert bestmögliche Informationen über die Auswirkungen der Methoden im Allgemeinen und auch über die spezifischen Auswirkungen auf die eigenen Felder. Daten allein werden hier nicht helfen, aber künstliche Intelligenz als Berater für die Nutzung gemeinsamer Erfahrungen und gute Simulationsmodelle werden sicherlich eine große Unterstützung sein, genau wie bei der Wettervorhersage. Dies kann ein wichtiger Beitrag zu weniger bürokratischem, weniger regelbasiertem Umweltschutz und mehr realitätsnahem, konkretem Handeln zum Wohle der Biodiversität sein. crop.zone unterstützt dies mit eigenen Ökotox-Tests und der Entwicklung von Pflanzenschutzmethoden ohne chemische Mittel und Bodenbewegung. Innovation zum Nutzen der Landwirtschaft und der Gesellschaft insgesamt braucht mehr aussagekräftige und hocheffiziente Umweltinformationen, auch für die lokalen Feldbedingungen. Denn die Biodiversität entsteht auf dem einzelnen Feld ebenso wie der Ertrag.