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Brache und Selbstbegrünung – Laufenlassen als Naturschutz?

Brache im Sinne von unproduktivem Land mit Selbstbegrünung ist eine Option der aktuellen Agrarpolitik.
Ein Beispiel für Brache – landwirtschaftliches Feld mit Selbstbegrünung

Warum Biodiversität und Bodenschutz Verantwortung brauchen.

Wie kommt die EU auf die Idee, selbstbegründende Brache zu fordern? 

Brache im Sinne von unproduktivem Land mit Selbstbegrünung ist eine Option der aktuellen Agrarpolitik. Die Anforderung zum Nichtstun ist aus guten Gründen umstritten.

Irgendjemand scheint aber gemerkt schon beim Machen der Verordnung zu haben, dass Laufenlassen keine wirkliche Option ist. Als Alternative gilt dementsprechend auch ermöglicht auf größeren Flächen Leguminosen anzubauen (Empfehlungen für die Anlage von Bracheflächen). Weiterhin wurden die Regelungen aktuell in vielen Bereichen komplett ausgesetzt (EU-Agrarpolitik: Kommission setzt Pflichtbrache 2024).

Aber ausgesetzt ist nicht aufgehoben. Und in den Köpfen verfestigt sich das Bild des „natürlichen Nichtstuns“ als wünschenswertem Zustand auf dem Acker. Brache hört sich sehr nach volkstümlichem Naturschutz an und scheint auch das Schulbuchbild der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft im Kopf zu haben.

Deshalb zurück zur Grundfrage, ob temporäre Brache generell und besonders mit Selbstbegrünung wirklich zukunftsweisende Elemente zur Verbesserung von Biodiversität und Teil einer zukunftsorientierten Landwirtschaft sind.

Mit vielem Beikraut musste man in den Folgejahren genauso leben wie vorher.
Selbstbegrünung auf einem landwirtschaftlichen Feld mit Leguminosen

War Brache früher mal etwas Sinnvolles?

In den Zeiten niedriger Bewirtschaftungsintensität, als noch viel nährstoffreicher Humus aus früheren Jahrtausenden im Boden war, es keinen Kunstdünger gab, die Mineralisierung durch intensives Pflügen nicht möglich war und ohne Herbizide noch eine ziemlich diverse und standortgerechte Beikraut-Pflanzengesellschaft in der Samenbank des Bodens herrschte: Ja.

Damals wurden eine begrenzte Menge Nährstoffe im Brachejahr aus dem Boden zusätzlich verfügbar, die weidenden Tiere ergänzten die Nährstoffe. Beides konnte im Folgejahr ertragreich(er) genutzt werden. Die vielfältige Pflanzengesellschaft dieses Brache-Jahres und die weidenden Tiere haben das Bodenleben weiterernährt und Monokulturen verhindert. Mit vielem Beikraut musste man in den Folgejahren genauso leben wie vorher.

Kann temporäre Brache heute sinnvoll sein?

Heute hat der Mensch auf den Hochertragsfeldern aktiv sehr künstliche Pflanzengesellschaften langzeitig und gezielt etabliert. Viele vielfältige Beikräuter wurden schon durch die Konkurrenz und den hohen Nährstoffeinsatz großflächig von den Feldern entfernt. Herbizide haben ganz gezielt viele Unkräuter auch in der Samenbank stark reduziert.

Viele vielfältigen Beikräuter wurden schon durch die Konkurrenz und den hohen Nährstoffeinsatz großflächig von den Feldern entfernt.
Ein weiteres Beispiel für Selbstbegrünung auf einem landwirtschaftlichen Feld

Die jetzt noch in der Samenbank vorhandenen Pflanzen sind diejenigen, die man nur schwer kontrollieren, aber nicht beseitigen kann. Melde, Gänsefuß und ähnliche Pflanzen sind sicher keine gute Basis für Biodiversität. Was sich in dem einen Brachejahr ansiedelt sind (Ausfall-)Pflanzen früherer Kulturen, hartnäckige Unkräuter und schnelle Erstbesiedler. Es sind aber keine stabilen, vorteilhaften oder auch nur einigermaßen diversen Pflanzengesellschaften.

Wer profitiert heute von selbstbegrünender Brache und wer nicht?

Melde und Gänsefuß freuen sich auf vielen ertragreichen Feldern bei selbstbegrünender Brache dank reichlicher Samenbank und starker Bodenerwärmung ohne Beschattung als Warmkeimer über ideale Vermehrungsbedingungen. Herbizidhersteller und die Freunde tiefer Bodenbearbeitung profitieren in den nachfolgenden Jahren davon, die stark gewachsene Unkrautsamenbank wieder in der Kultur einigermaßen unter Kontrolle zu bringen.

Auch crop.zone könnte sich bei der elektrophysikalischen Behandlung über viel Unkraut (= falsche Pflanze in falscher Anzahl am falschen Ort) freuen, wenn es nicht zum Schaden von Boden, Umwelt und Landwirten dort wachsen würde.

Landwirte, die normalerweise integriert, regenerativ oder mit minimaler Bodenbearbeitung arbeiten und stark aussamende Unkräuter oder z. B. Wildrüben sonst sorgfältig entfernen, bekommen durch Selbstbegrünung für Jahre Probleme, wenn sie ohne erhebliche Herbizidmengen oder Bodenbewegung sinnvolle Erträge erwirtschaften wollen. Wenn nach der Brache wieder die starke Bodenbearbeitung aufgenommen wird, leiden Humus, das Bodenleben und z. B. auch bodenlebende Hummeln.

Das Bodenleben hat unter vielen Umständen von der Brache nur begrenzt etwas gehabt. Je nach Vorkultur und Jahr liegen die Felder im Herbst und Winter komplett offen und auch im Frühjahr stellen sich z. B. Melde erst sehr spät ein. Da gab es dann auch wenig Humusaufbau und Bodenexsudate. Keine gute Bilanz für Klima und Bodenleben.

Ein Beispiel für Brache – Zuckerrübenfeld in Deutschland

Die in diesem Blog gezeigten Bilder benötigen eigentlich kaum einen Kommentar. Wenn man nichts tut, wird aus einen vorher gut gepflegten Zuckerrübenfeld durch Selbstbegrünung bis zum September eine Mischung aus reifender Melde, ein paar weiteren häufigen Ackerunkräutern und Durchwuchs früherer Kulturpflanzen wie Kartoffeln oder z. B. Wildrüben. Leguminosen und andere Deckfrüchte halten dagegen den Boden kühler, sodass die Melde nicht überhandnimmt oder gar nicht aufkommt. Außerdem bieten sie neben der Stickstoffbindung auch noch vielen Tieren Nahrung und Schutz. Im bebilderten Versuchsfall wurden keine artenreichen Gründüngungsmischungen genutzt, was für die Boden und Biodiversität sicher besser gewesen wäre. Aber es ging neben technischen Zielen besonders auch um die Darstellung, dass selbstbegrünende Brache auf fruchtbaren Böden nur organisierte Verantwortungslosigkeit ohne großen längerfristigen (= nachhaltigen) Biodiversitätsnutzen ist.

Übrigens wurde für diesen Versuch kein Acker gequält. Der Acker befand sich im Vorfeld einer Sandgrube und wurde einige Monate später abgebaggert.

Warum ist es sinnvoll, Verantwortung zu übernehmen, statt Hochertragsflächen zeitweise sich selbst zu überlassen?

Zuerst ein Feld als hochproduktivem Standort in praktisch jedem Aspekt zu kontrollieren und es dann einfach mal sich selbst zu überlassen, scheint ein sehr romantisches Naturbild zugrunde liegen zu haben. Mensch ist der Ausbeuter. Und ohne Ausbeuter geht es „der Natur“ einfach sofort wieder besser. Aber wer schickt hochbehütete Stadtkinder einfach mal ohne Minimalausrüstung und unvorbereitet in den Wald, damit sie das natürliche Leben kennenlernen? Wohl kaum jemand. Selbstbegrünende Brache auf ertragreichen Feldern erscheint auch eher gesetzlich legitimierte Vernachlässigung zu sein. Mehr zum Thema „Brache“ und ihrem spannenden kulturellen Ideenhintergrund unter: Masterarbeit Kruse 2022.

Es hat seine guten Gründe, warum es z. B. regenerative Landwirtschaft gibt (Regenerative Landwirtschaft). Also eine Landwirtschaft, die weiter Ertrag produzieren will, aber gleichzeitig viele Bodenfunktionen erst WIEDERHERSTELLEN will und muss. Das erfordert viel Arbeit und intelligentes aktives Feldmanagement. Und das kontinuierlich über viele Jahren.

Gleichzeitig gibt es natürlich je nach Region und Boden auch eine große Zahl anderer wertvoller Maßnahmen, um den Boden zu schützen und die Biodiversität zu stabilisieren und wieder zu erhöhen. Aber in praktisch allen Fällen geht es dabei um aktive und gezielte Maßnahmen (100 Äcker für die Vielfalt).

Selbstbegrünung mit durchwachsenen Kartoffelpflanzen auf einem landwirtschaftlichen Feld. Auch crop.zone setzt genauso wie die Landwirte auf die Übernahme von Verantwortung.
Selbstbegrünung mit durchwachsenen Kartoffelpflanzen auf einem landwirtschaftlichen Feld

Kann crop.zone da gemeinsam mit den Landwirten einen Beitrag leisten?

Auch crop.zone setzt genauso wie die Landwirte auf die Übernahme von Verantwortung. Deshalb entwickelt crop.zone Verfahren, mit denen nichtselektive Herbizide z. B. zur Sikkation, Vorsaatbehandlung und Gründüngungskontrolle durch Strom ersetzt werden und keine Rückstände entstehen. Dabei hat crop.zone auch aktiv gezeigt, dass das Bodenleben durch den Strom nicht geschädigt wird.

Gemeinsam müssen wir alle Wege finden, Wirtschaftlichkeit, Nahrungsmittelsicherheit, gerechten Zugang zu Böden, Klimaschutz und Biodiversität unter einen Hut zu bekommen. Das ist nicht leicht, aber Landwirtschaft, Agrartechnik und passgenaue Ökologie wachsen mit den Herausforderungen und übernehmen die Verantwortung.